Ich habe hier schon mal vor Jahren Tagebuch geschrieben. Als ich so 14, 15 war, mitten in der Pubertät, untergewichtig, Außenseiterin in der Schule, gemobbt, kein Selbstbewusstsein, unzufrieden sowohl mit Optik als auch Charakter. Mittlerweile bin ich 21, hab einen längeren Auslandsaufenthalt hinter mir und Rucksackreisen nach Asien, Afrika und Zentralamerika, stecke mitten im Studium, komme damit klar, dass ich nicht girly genug bin, um von den Tussen, die ich früher so beneidet habe, akzeptiert zu werden und auch nicht akzeptiert werden will, durfte die geilste Band auf Erden (Green Day) live sehen und mache mittels Sport, Tattoos, knallroten Haaren und Klamotten im Grunge-/Punkstyle genug aus mir, um mich in meinem Körper wohlzufühlen, hatte schon mehrere sexuelle Erfahrungen mit mehreren Männern, und eine Liebe erleben, die so tief, besonders, schön, sexy, aufregend und gleichzeitig schmerzhaft ist wie kaum etwas anderes, und um die es in den folgenden Einträgen auch gehen wird. Jo, grundsätzlich könnte man meinen, die Bitch hat sich gemacht. Hab ich auch einige Zeit gedacht. Doch jetzt wurde ich wieder in ein Loch zurückgestoßen, in dem ich mich wieder so schäbig und psychisch am Ende vorfinde wie einst in meinen Jahren in der Mittelstufe, wenn nicht noch schlimmer, da nun auch Suizidgedanken dazukommen, von denen ich nicht weiß, ob ich sie bewusst oder unbewusst produziere. Seit November gehe ich zum Psychotherapeuten, da der aber permanent ausgebucht ist, bekomm ich dort nur einmal pro Monat einen Termin. Keine Ahnung, ob diese niedrige Behandlungsfrequenz etwas bringen wird. Eine sehr gute Freundin hat mir empfohlen, zusätzlich wieder mit dem Tagebuch führen anzufangen, deswegen kehre ich wieder hierher zurück.
So, jetzt fragt man sich natürlich, warum so ein junges Mädchen, dass schon so viele tolle Dinge erleben durfte, einen Psychotherapeuten braucht und darüber nachdenkt, sich das Leben zu nehmen. Grund ist oben bereits erwähnte Liebe. Ich weiß jetzt nicht, ob ich heute schon alles auf einmal aufschreiben werde, ich lass mich jetzt mal von meinen Gedanken und Limp Bizkit im Ohr tragen und warte ab, wohin mich das führt.
In den darauffolgenden Wochen starb seine Tante an Krebs, sie war schon lange in schlechter Verfassung gewesen. F. hatte vor zwei, drei Jahren mal an Depressionen gelitten, ich fürchtete, dass er wieder in diese Spirale abrutschen würde, doch das geschah nicht. Nach ihrer Beerdigung fuhr er direkt zu mir und wir verbrachten ein wunderschönes Wochenende miteinander. Er meinte, solange wir beide zusammen wären, würden wir alles, wirklich alles schaffen. Und ich glaubte das auch.
Nicht einmal einen Monat nach dem Tod seiner Tante starb seine beste Freundin, die eine zentrale Rolle dabei gespielt hatte, ihm aus seiner Depression vor zwei, drei Jahren rauszuhelfen. Sie wurde von einem die Böschung herabstürzendem Auto erschlagen. Wir standen beide unter Schock, er natürlich noch mehr als ich, ich hatte leider nie die Chance, sie kennenzulernen, da der Unfall 6 Wochen nach dem Green Day Auftritt im Novarock passierte. F. stürzte in ein Loch. Ich war für ihn da, ich glaubte an ihn und daran, dass er rausfinden würde. Unsere Liebe wurde in diesen ersten Tagen nach dem Unfall nochmal intensiver. Ich schrieb meine letzte Klausur an der Uni, und von da an war ich fast jede Nacht bei ihm. Wir redeten oft bis 6 Uhr morgens, hörten gemeinsam Musik, liebten uns, schliefen aneinandergeschmiegt ein. Dieser Moment, wenn ich ihn von hinten in die Arme nehme, wir einander gute Nacht sagen, ich drücke ihm einen Kuss auf den Nacken, sage ihm, wie lieb ich ihn habe, er antwortet mir, dass er mich auch liebt. Irgendwann mittags standen wir auf, aßen mit seinen Eltern. Irgenwann begann er, sich in sich selbst zurückzuziehen, nachdem der Schock verarbeitet war, zeigte er wieder depressive Züge. Ich begann, mich in das Thema einzulesen, als er wieder mit Therapie begann. Ich stöberte in Foren, machte mich schlau, suchte nach Tipps zum Umgang mit einem depressiven Partner. Obwohl der Zugang zu ihm schwerer wurde, zeigte er mir trotzdem noch, wie viel ich ihm bedeutete, dass er meine Unterstützung schätzte. Er lernte meine Eltern kennen, die ihn ins Herz schlossen. Er lernte meine Freundinnen kennen, wir gingen auf die Dult, auf eine Hochzeit. Ihm ging es immer schlechter, aber er versprach mir, aus der Depression rauszukommen, nicht nur für ihn, sondern auch für mich. Nach dem Sex wollte er plötzlich nicht mehr so innig kuscheln wie früher, er hielt mich zwar in seinen Armen, aber war zu Romantik und zärtlichen Berührungen und Worten plötzlich nicht mehr fähig. Er konnte auf einmal keinem Menschen mehr in die Augen sehen.
Am Tag nach besagter Hochzeit reiste ich ab nach Nicaragua. Ich hatte diesen dreieinhalbwöchigen Backpackingtrip geplant, bevor ich F. kennengelernt hatte. Der Abschied von ihm fiel mir unsagbar schwer, und ich freute mich schon beim Abschied darauf, ihn wiederzusehen. Gleichzeitig hatte ich Angst um ihn. Seit seine Depressionen begonnen hatten, war er nicht mehr so WhatsApp-affin wie früher, also stellte ich mich darauf ein, in diesen dreieinhalb Wochen nicht so viel von ihm mitzubekommen wie sonst. Und das machte mich fertig, weil ich nicht wusste, wie sich die Dinge in dieser Zeit bei ihm entwickeln würden. Er meldete sich alle paar Tage, und ich bemerkte, wie sein Zustand immer schlimmer wurde. Dennoch verbrachte ich eine unglaublich schöne und spannende Zeit in Nicaragua. Das Reisen ist eine meiner größten Leidenschaften, vielleicht lege ich hier ein zweites Tagebuch an, in dem ich euch von meinen Geschichten und Begegnungen mit dem Rucksack auf dem Rücken und wenig Geld auf dem Konto erzähle. Ein paar Tage vor meiner Rückkehr eröffnete F. mir, dass er jetzt mit Antidepressiva beginnen würde. Er schickte mir einen Beipackzettel. Schlichtweg der größte Scheiß, den die Pharmaindustrie je zustande gebracht hatte. Vor allem für Jugendliche (er ist inzwischen 17) wie ihm. Die ersten zwei Wochen auf Meds verschlimmerte seinen Zustand noch mehr, bis sie wirkten. Unmittelbar nach Nicaragua ging es ihm erstmals zu schlecht, um mich zu sehen. Er glaubte plötzlich nicht mehr daran, wieder gesund zu werden. Eigentlich wollten wir da gemeinsam mit meinen Eltern und meinem Bruder essen gehen. Eine Woche später sahen wir uns dann letztendlich doch wieder, er war geringfügig besser gelaunt, wir hatten die halbe Nacht lang Sex und fuhren am nächsten Tag zu einer Tattoomesse, auf der er sich ein wunderschönes Gedenktattoo für seine beste Freundin stechen ließ, ich mir ein kleines Tattoo von den Heiligtümern des Todes aus Harry Potter. Er driftete während des Tages öfter mal ab, er war nicht mehr so zärtlich und zuvorkommend wie vor meiner Reise. Irgendwas hatte sich in den Wochen meines Trips bei ihm geändert. Er liebte mich nach wie vor, seine Gefühle waren in sich dieselben geblieben, er konnte sie nur plötzlich nicht mehr so offen nach außen hin zeigen wie früher. Er war künstlich überdreht und nicht mehr ganz bei sich. Plötzlich war ich mit einer anderen Person zusammen.
Ein paar Tage später war ich bei ihm. Er war an diesem Tag wahnsinnig beschissen drauf. Ich hatte auch keinen guten Tag gehabt, und sein durch die Meds verändertes Ich und Verhalten hatten mir Denkstoff gegeben. Ich sprach ihn darauf an, als er unter dem Film, den wir uns gemeinsam ansahen, plötzlich bemerkte, wie ich in sein Shirt reinweinte. Er machte aus dem Nichts Schluss. Er wollte mich beschützen, mich nicht runterziehen mit seiner Krankheit, ich sollte ihn loslassen, er ist an dem Tag stehen geblieben, als seine beste Freundin gestorben ist, er wird nicht mehr gesund werden, er liebt mich trotzdem wie sonst keinen Menschen, und genau deswegen können wir uns nicht mehr sehen, weil er einen Menschen, den er so sehr liebt, nicht verletzen will. Ich war vor dem Kopf gestoßen. Ich verbrachte die Nacht an seiner Seite, weinte, wollte nicht gehen, wir schliefen trotzdem "ein letztes Mal" miteinander, er sagte mir immer wieder, dass er mich liebte und nie vergessen würde, ich sagte ihm dasselbe, wie schön seine Augen wären, sie waren das erste, was mir an ihm aufgefallen war. Diese Nacht war wunderschön und schrecklich zugleich. Er sagte, er würde mich in meiner Studienstadt besuchen, wenn es mir besser gehen würde. Etwas in mir zerbrach in dieser Nacht. Irgendwann stand er auf und ging zur Arbeit, ich blieb liegen und wartete, bis seine Mam aufstand, um mit ihr zu frühstücken und zu reden. Ich hatte Kopfschmerzen vom vielen Weinen, verstand nicht, wie etwas ursprünglich so Reines und Schönes zu so einem Albtraum werden konnte. Seine Mam war traurig und perplex. Ich mag seine Familie unglaublich gern, und sie mögen mich auch, und wir redeten sehr, sehr lange, sie nahm mich in den Arm und tröstete mich. Irgendwann fuhr ich nach P. zu meiner WG und lies mich in die Arme meiner dort ansässigen Familie 2.0 sinken. Ich rauchte zum ersten Mal seit über einem Jahr. Die darauffolgenden Wochen waren pure Hölle. Wieder und wieder spielte ich Filme ab von schönen Momenten mit ihm und von dieser schrecklichen Nacht. Ich begann, mich an dem Satz "Ich besuche dich in P." festzuklammern und auch kleine Mindmovies von diesem Wiedersehen in der Zukunft zu erstellen. Ich passte in der Uni nicht mehr auf, zog mich immer gothic-mäßiger an, konnte kaum Zeit im Bad mit mir selbst verbringen, weil ich mit mir allein Zustände bekam. Ich konnte mir selbst nicht mehr in die Augen sehen, zerfleischte mich in Selbsthass und Schuldgefühlen. Ich wollte sterben. Ich reagierte komplett überzogen, weil ich nie gelernt hatte, mit Verlusten und Niederlagen umzugehen, und spiegelte unbewusst F.s Verhalten, abgesehen von den Suizidgedanken, denn die hat er nicht im Gegensatz zu mir. Ich habe absolut keine Kontrolle über mein Selbstbewusstsein. Entweder strotze ich davor oder ich habe absolut keines. Meine Mitbewohner wurden aufmerksam auf meinen psychisch immer labileren Zustand. S. gab mir einen Hinweis in Zusammenhang mit Johanniskraut und seiner stimmungaufhellenden Wirkung, C. half mir bei der Suche nach einem Psychotherapeuten. Ich fasste den Entschluss, nochmal Kontakt zu F. zu suchen, sobald es mir besser gehen würde, ich wollte ihm zeigen, dass ich stark war, ihn immer noch liebte und einfach für ihn da sein wollte. Die Möglichkeit eines Neubeginns mit F. gab mir Hoffnung. Die erste Sitzung beim Therapeuten verlief sehr gut, er konnte meine Gedanken etwas sortieren und in eine positivere Bahn lenken. Ein paar Tage später nahm ich wieder Kontakt zu F. auf und schlug ihn ein erneutes Treffen vor. Er willigte ein, und eine Woche später war ich auf dem Weg zu ihm.
Ich hatte mir Worte zurechtgelegt, die ich ihm sagen wollte. Ich hatte keine Ahnung, wie das Treffen verlaufen würde. Mein Bruder meinte dazu lapidar, entweder ist der Ofen ein oder aus. F.s Mam freute sich wahnsinnig, als ich nach sechs Wochen endlich wieder auf der Matte stand, herzte mich, bot mir Tee an. Er stand etwas verloren im Hintergrund, ich schloss auch ihn in meine Arme und versuchte, cool und selbstbewusst zu wirken, obwohl ich sichtlich zitterte. Sein Zustand hatte sich verschlechtert, sowohl er als auch seine Eltern hatten mich im Vorfeld gewarnt. Ich war auf alles eingestellt, in meinem Rucksack befanden sich sowohl Kondome und ein Schlafshirt als auch seine letzten Habseligkeiten, die ich noch in meiner Wohnung in P. gefunden hatte. Wir gingen rauf in sein Zimmer und setzten uns im Schneidersitz auf seinem Bett gegenüber. Ich hätte ihm gern übers Gesicht gestrichen, aber wahrte bewusst den Abstand, da seine Mam mich gewarnt hatte, dass er sich momentan nicht berühren lassen will. Wir redeten ganz normal, was so die letzten Wochen bei uns los gewesen ist. Meine Nervosität nahm langsam ab. Er legte sich irgendwann hin und schob seine Füße unter meine Unterschenkel. Ich war von dieser plötzlichen subtilen Suche nach körperlicher Nähe etwas überwältigt und ging kurz in die Küche runter, um nochmal Tee zu holen. Seine Eltern und eine Freundin der Familie, die ich auch kannte, saßen da bei einem Glas Wein, ich teilte ihnen mit, dass es bis jetzt ganz gut lief. Ich ging wieder rauf, er lag immer noch da, ich setzte mich wieder hin, wir redeten weiter, irgendwann fragte er mich, ob ich mich nicht zu ihm legen wollte. Ich war wie hypnotisiert und kuschelte mich automatisch an ihn ran, er nahm mich in die Arme, machte Musik an und drückte mich an sich. Wir schwiegen. Irgendwann sagte ich ihm, wie sehr ich ihn vermisst hatte. Er meinte, er wisse immer noch nicht, ob dieses Treffen heute eine gute Idee war. Ich sagte ihm, dass ich mich bei ihm einfach nur wohlfühlte. Dass ich für ihn da sein wollte, sowohl jetzt als auch darüber hinaus. Ohne Erwartungen, ohne ihn in eine Ecke zu drängen, weil ich weiß, was für ein wundervoller Mensch hinter der Depression steckt. Er hat mir letzten Sommer genug geschenkt, ich erwarte nichts in exchange, solange es ihm so schlecht geht. Wir müssten uns auch nicht zwei Mal die Woche sehen wie früher, wenn ihm das zu viel ist. Einmal die Woche oder alle zwei Wochen wären für mich auch in Ordnung. Er lächelte und sagte danke, als ich ihm diese Dinge sagte. Er kann keinen Menschen einmal die Woche sehen, aber alle zwei Wochen wäre okay. Ich deklinierte mich selbst durch, nur um weiterhin einen Platz in seinem Leben einnehmen zu dürfen. Ich bin eigentlich Feministin, aber ich dachte mir, wegen seiner Krankheit muss man halt ein bisschen Abstriche machen mit dem feministischen Gedankengut. Als er mir zustimmte, jubilierte ich innerlich und strahlte ihn an. Ich blickte ihm in die Augen, suchte seinen Blick, und sagte ihm die drei Worte. Er erwiderte sie, und ich küsste ihn langsam und zärtlich, die Welt um uns versank, wir zogen uns aus und hatten Sex. Wir waren wieder zusammen und ich durfte ihm beistehen im Kampf gegen seine Depressionen, ich war so glücklich wie seit Wochen nicht mehr. Seine Eltern auch, "wenigstens ist er jetzt alle zwei Wochen gut drauf".
Wir standen wieder regelmäßig in Kontakt auf WhatsApp, zwar nicht mehr so intensiv wie zu Beginn unserer Beziehung, aber wenn wir einander was Wichtiges mitzuteilen hatten, taten wir das. Ich kaufte ihm ein Weihnachtsgeschenk, es war ein Abzug von einem gemeinsamen Foto, dass wir im Sommer an einem besonders schönen Nachmittag am Fluss gemacht hatten. Am Tag vor Weihnachten war ich wieder bei ihm. Er redete zuerst sehr wenig, aber taute langsam auf. Er hatte kein Weihnachtsgeschenk für mich. Damit hatte ich gerechnet, aber seine ehrliche Freude über mein Geschenk war auch sehr schön, und auch die kleinen Momente, in denen er mir Zärtlichkeit zeigte und von denen ich tagelang zerrte, sein Kuss auf meine Stirn, seine Umarmung mitten in der Nacht im Halbschlaf, der Abschiedskuss, bevor ich über Weihnachten heimfuhr und anschließend mit zwei Freundinnen nach Marokko flog. Übrigens: Ne, ich bin kein reiches, verzogenes Gör, sondern arbeite einfach wie blöd neben dem Studium und lege jeden Cent zur Seite, um mir die Reisen zu ermöglichen. F., seine Familie ebenfalls sehr reisefreudig, verbrachte diese Zeit auf den Seychellen. Er antwortete nicht auf meine Nachrichten, nicht einmal, als ich ihn vergangenen Freitag, als unsere Urlaube zu Ende gingen, fragte, wie er diese Woche Zeit hat. Als gestern Mittag noch keine Antwort da war, wurde ich sauer und schickte ihm ein Audio, in dem ich ihm ein paar Sachen wie "Auch wenn du Depressionen hast, solltest du mich wertschätzen und dir die 30 Sekunden nehmen, um mir zu sagen, ob du diese Tage Zeit hast oder nicht. Selbst wenn du mal wieder keinen Bock auf Menschen hast, kannst du mir das sagen, alles besser, als mich zu ghosten." an den Kopf warf. Daraufhin entzündete sich ein Streit. Auf WhatsApp. Alter Verwalter. Er versteht meinen Zorn, weiß, dass sein Verhalten falsch ist und ich das nicht verdient habe, will mal wieder nichts von Menschen wissen, braucht Abstand, niemand kann seine beste Freundin ersetzen, nichts hat mehr irgendeine Bedeutung für ihn, niemand versteht ihn, er wird nicht mehr gesund werden, ich soll endlich aufhören, ihm das ständig weis zu machen, bla bla bla... Ich bot ihm an, wieder ein paar Wochen auf Abstand zu gehen, so weh mir das auch tut. Er soll sich aber zuerst melden, weil mir das zeugt, dass ich ihm noch irgendwas bedeute. Er reagierte ausweichend von wegen "Ich weiß nicht, wann es mir das nächste Mal gut genug geht, um mit Menschen zu reden", er wolle demnächst keine Leute sehen, eingeschlossen mich, er schreibt eigentlich niemandem mehr auf WhatsApp zurück, aber da ich ihm mehr bedeute als andere Menschen, lässt er sich eben auf diese Diskussion ein. Ich beharrte auf meinem Standpunkt, dass ich ihm jetzt ein paar Wochen in Ruhe lasse, aber dann soll er sich melden, sofern ich ihm irgendwas wert bin.
Ich bin mal wieder am Ende, Selbstbewusstsein futsch, Selbsthass und Suizidgedanken da. Es ist schon fast ein Automatismus. Sobald er mich blöd behandelt und wir uns streiten, beginnt das wieder. Ich kann mein Selbstbewusstsein nicht steuern, es steht und fällt mit ihm. Früher war es abhängig davon, wie mich die Leute in der Schule wertgeschätzt haben oder ob ich Komplimente bekommen haben (sowohl auf charakterliche als auch ästhetische Vorzüge bezogen), ich war süchtig nach Bestätigung, bekam diese aber erst mit so 16, 17, was die Zeit davor für mich zur Hölle machte. Mittlerweile bin ich mir selbst genug. Die meiste Zeit. Ich weiß nicht, wie ich mich verhalten soll. Ich weiß nicht, ob ich stark genung bin, den Kontaktentzug zu ihm durchzuziehen. Ich habe mich heute sehr lange mit I., oben genannter sehr guter Freundin unterhalten. Sie ist Mitte 60 und weiß extrem viel über das Leben. Sie meint, ich solle ihn loslassen. Wenn er wirklich mein Seelenverwandter ist, wird er zurückkommen, ansonsten wird das Loslassen Platz für etwas Neues schaffen. Das Problem ist, dass ich nicht bereit bin, ihn loszulassen. Und I. sagte auch, dass Dinge, die man mit Gewalt festhält, nie bei einem bleiben. Er ist meine erste große Liebe, das Schönste, was mir in meinem Leben bisher passiert ist, trotz allem. Ich gehe nicht richtig damit um, und das macht es weder für ihn noch für mich einfacher. Ich möchte lernen, richtig mit Verlusten und Niederlagen umzugehen. Könnte ich wie ein psychisch gesunder Mensch damit umgehen, würde mich dieser Streit mit ihm gestern nicht in so ein abgrundtiefes Loch stürzen und ich würde vielleicht den Absprung schaffen, um ihn loszulassen und zu sehen, wie sich die Dinge dann entwickeln. So verharre ich dabei, bei ihm bleiben zu wollen, komme was wolle, und nicht fähig zu sein, ihn loszulassen. Obwohl ich das zumindest pro forma mit meinem Statement "Ich lasse dich in Ruhe, du meldest dich zuerst, wenn dir noch was an mir liegt" so scheinen lasse. Ich habe heute Nachmittag meinem Therapeuten auf den AB geredet, ob wir diese Woche oder nächste Woche eine zusätzliche Sitzung abhalten können. Ich weiß nicht mehr, wie ich weitermachen soll. Mit ihm ist es scheiße, solange es ihm schlecht geht, ohne ihn ist es aber auch die Hölle. Ich trete auf der Stelle.
Wie ihr vielleicht gemerkt habt, stehe ich wahnsinnig auf Musik. Deswegen werde ich am Ende jedes Eintrags ein Musikstück präsentieren, das mich aktuell begleitet. Im Moment ist es die sagenhafte Ballade "Behind Blue Eyes" von Limp Bizkit, die jedem ein Begriff sein sollte. Hat mich offensichtlich auch zu meinem Username inspiriert. Viel Freude beim Anhören (soweit sich jemand die Mühe gemacht hat, diesen sehr langen Eintrag zu Ende zu lesen) und bis bald.
Zuletzt geändert von behindgreeneyes1 am 08.01.2018 07:44, insgesamt 2-mal geändert.
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Tagebuch/Blog:Lesen (5)
Hallo behindgreeneyes1,
ein Tagebuch zu schreiben kann einem oft wirklich helfen über seine Gefühle und Ängste ins Klare zu kommen. Da hat dir deine Freundin einen guten Tipp gegeben. Ich möchte dir hier noch einen geben: Vertrau dich jemanden an mit allem. Nicht nur seinem Psychologen, sondern deiner Freundin. Sag ihr einfach alles. Ich habe vor kurzem durch Soizid eine Liebe verloren. Er war auch bereits in Behandlung seit über 2 Jahren und galt praktisch als geheilt. Man hat die Medikamente abgesetzt und schon ist es passiert. Er hatte keinen Neuanfang gewollt und blieb in alten Gewohnheiten, die ihn nicht glücklich machten. Daher gib nicht auf, ändere etwas in deinem Leben, fange etwas Neues an. Zurück zu blicken hilft nicht, du lebst im hier und jetzt. Ich hoffe sehr, dass du es schaffst.